Als mich das Radio beinahe umbrachte

Ich fahre Velo. Immer. Es schneit: Ich kämpfe mich mit meinem Velo durch den Schnee. Es steht ein spezieller Anlass bevor: Ich trotze mit Minikleidchen und High Heels dem Fahrtwind. Es gibt für mich nur ein Problem beim Velofahren: Ich habe keinen Orientierungssinn. Wirklich nada, zero, niente. Manchmal kann mir nicht einmal Google Maps weiterhelfen. Karten lesen gehört nicht zu meinen Stärken. Auch dann nicht, wenn ich mit einem schön dicken blauen Punkt auf einer Karte markiert bin. Aber: Google Maps hat ja diese grossartige GPS-Funktion. Da schnurrt eine Stimme einem ins Ohr, wann man rechts abbiegen, wie lange man noch geradeaus fahren oder welchen Ausgang man beim Kreisel nehmen muss. Ein Kinderspiel!

Denkste!

Ich bin mal wieder spät dran. Schon längst sollte ich bei meiner Freundin sein, ausgestreckt auf dem Sofa liegen, bereit für die neuste Episode von Game of Thrones. Aber, anstatt dass ich mich bei ihr mental von meinen Lieblingscharakteren verabschiede, ziehe ich gerade meine Schuhe an, stolpere durch meine Wohnungstür und die Treppe runter. Ich schwinge mich auf mein pinkes Damenvelo. Wie lautet ihre Adresse schon wieder? Ich durchsuche mein Iphone, finde in irgendeinem Chatverlauf die Adresse. Copy, paste und schon erscheint mein Weg auf dem Bildschirm. Schön blau markiert. Ein anderer Weg, als ich bei meinem letzten Besuch genommen habe. Wahrscheinlich eine Abkürzung. Ich stecke mir meine Kopfhörer in die Ohren, schalte auf meinem Iphone den englischen Sender Radio X ein und strample los. «In 400 metres, turn right on Muncenstiinerstrs», schnurrt mein Handy. – Ich habe meinen GPS auf Englisch umgestellt. Es gibt doch nichts schöneres als einen Typen mit britischem Akzent, der einem den Weg weist. Leider kommt die englische Sprache nicht mit unseren Strassennamen zurecht. Strasse wird ganz einfach zu «strs». – Ich biege rechts ab. Im Radio steht gerade einer meiner Lieblingsmoderatoren am Mikrofon: Toby Tarrant. Aber, was höre ich da? Toby Tarrant lässt sich gerade seinen Allerwertesten tätowieren. Am Radio. Live.

Ich höre das leise schnurren der Tätowiermaschine, das Lachen der Tätowiererin und das fluchen von Toby. «This is the stupidest thing I’ve ever done in my life.» Ja Toby, da könntest du wohl Recht haben. «Turn left on ….» Ich habe den Strassennamen nicht verstanden, biege aber links ab. Toby ruft aus dem Radiostudio gerade seine Mutter an. «Mum, there is a lady in black latex gloves who is currently hurting my bottom!»

Brrrrrmmmmm. Ein Auto rast an mir vorbei. Und noch eins, dieses Mal laut hupend. «Ach kommt schon, habt ihr etwa noch nie eine Frau im Minikleid auf einem Velo gesehen? Männer!» Ich bin gereizt. Eine Frau kann nur ein gewisses Mass an Catcalling ertragen. Ich bereite mich mental darauf vor, dem nächsten hupenden Auto den Stinkefinger zu zeigen. Unverschämt ist das, jawohl! Ich blicke nach links und mein Herz bleibt stehen. Ich, mein Minikleid und mein rosarotes Damenvelo haben uns auf den Pannenstreifen verfahren. Ich bin auf der Autobahn gelandet.

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