Führt die Coronakrise zu mehr psychischen Erkrankungen?

Seit knapp vier Wochen hat die ausserordentliche Lage aufgrund des Coronavirus unseren Alltag fest im Griff. Zuhause bleiben, Social Distancing, Betriebe sind geschlossen, Arbeit fällt weg. Was bei vielen für Verunsicherung sorgt, kann für Menschen mit psychischer Erkrankung ein grosses Problem sein. Was machen, wenn Strukturen wegfallen? Wie mit Ängsten, Zwängen, Depression umgehen, wenn der Alltag genau diese triggered?

Luis Müller ist freiwilliger Sendungsmacher bei Radio X und hat seit 20 Jahren eine bipolare Erkrankung. „Solche schwerwiegende Umstände können die Verletzlichkeit verstärken, die man sonst schon hat“, sagt er. Für Luis Müller sind deswegen jetzt vor allem drei Punkte wichtig: Achtsamkeit, Struktur und Resilienz.

Menschen mit psychischer Erkrankungen sind von der aktuellen Lage stark betroffen – dem sind sich auch psychiatrische Dienste wie zum Beispiel die Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK) bewusst. Zwar habe es bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr Eintritte gegeben, man würde allerdings eine starke Nachfrage im ambulanten Bereich feststellen, sagt Dr. Charles Benoy, leitender Psychochologe an der UPK und Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Zwangsstörungen. Auch Patient*innen, die schon länger nicht mehr in Behandlung waren, würden sich nun wieder melden. Für die Betroffenen sei es wichtig, dass sie ihre Tagesstruktur aufrecht erhalten und Kontakt zu anderen Menschen haben, sagt Charles Benoy. „Und natürlich vermehrt auch wieder präventiv Kontakt zu ihrem Behandler aufnehmen, der dann auf sie spezifisch die Massnahmen mit ihnen besprechen kann.“ Massnahmen, die wichtig seien, um einem Rückfall vorzubeugen.

Ob mit oder ohne psychischer Erkrankung, der soziale Kontakt ist in dieser Zeit für unsere Psyche wichtig. Videochat, Telefon oder auch mal zu Stift und Papier greifen und einen Brief schreiben: genügend Möglichkeiten zum Austausch gibt es. Studien und Untersuchungen von vergangenen Epidemiesituationen zeigen nämlich, das im Anschluss an eine Epidemie Menschen, die sozial isoliert oder in Quarantäne waren, gefährdeter sind, Depressionen, Zwänge oder andere Angststörungen zu entwickeln. So sei es wahrscheinlich, dass psyichische Erkrankungen zunehmen, wenn die Corona-Pandemie vorbei ist, sagt Charles Benoy.

Daher, passt auf euch auf, schreibt Briefe, greift zum Telefon oder zeigt eurer Oma mal, wie Facetime funktioniert. Sie wird sich bestimmt freuen. Und allzu viele Nerven kostet es nicht, versprochen.