Ich bin wütend.

Ich bin wütend.

Wütend, dass ich beim Joggen am Abend nicht die Pfade nehmen kann, die ich möchte. Die ich normalerweise wähle, wenn es hell ist. Ich bin wütend auf mich, dass ich vor dem dunklen Pfad stehe, dass mein Gehirn registriert, wie da keine Häuser stehen, wie da kein Licht brennt. Und dann wähle ich eben nicht diesen Pfad. Den Pfad durch den Wald, den ich immer wähle. Immer, wenn es hell ist.

Ich bin wütend.

Wütend, dass ich diejenige bin, die ausweicht. Nicht, wenn mir Familien entgegenkommen, eine Gruppe von Freunden, Hundebesitzer und ihre Vierbeiner. Auch nicht bei allen Männern. Meist weichen beide Parteien etwas aus, beide machen sich gegenseitig Platz. Aber bei manchen Männern muss ich – und ich alleine – ausweichen, wenn ich sie beim Kreuzen nicht streifen oder gar in sie hineinrennen möchte. Ich weiche aus. Auf die Strasse, aufs Feld. Ich weiche aus, er läuft breit auf der Mitte des Trottoirs weiter.

Ich bin wütend.

Wütend, dass ich vor einer Unterführung kurz innehalte, wenn ich dort Gestalten sehe. Ich entscheide, trotzdem weiter zu rennen, beschleunige aber meine Schritte, vermeide Augenkontakt.

Ich bin wütend.

Wütend auf den jungen Mann, an dem ich vorbeigejoggt bin. Der, als er mich hinter sich hörte, kurz zurückgeschaut hat, wieder nach vorne, nochmals zurück. Sein Blick blieb an mir haften, als ich ihn überholte. Lange Sekunden. Starrend. Und meinst du, er hat mir Platz gemacht? Wütend auf das Auto, das sich neben mir verlangsamt hat. Gejohle. Wütend auf den älteren Mann, der beim Kreuzen seine Hand nach meinem Oberschenkel ausgestreckt hat. Auf sein Grinsen, als ich irritiert zur Seite sprang.

Ja, ich bin wütend. Wütend, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der Frauen beim Joggen ihre Route überdenken. In der wir selbst dann sexualisiert werden, wenn wir etwas nur für uns machen. In der Unterführungen ein Zögern auslösen. In der Mädchen von ihren Müttern lernen, den Schlüssel beim Nachhauseweg zwischen den Fingern bereit zu halten. Ich möchte hier keinesfalls generalisieren, keinesfalls alle Männer in die gleiche Schublade stecken. Es handelt sich um eine Minderheit. Aber diese Minderheit, die macht mich verdammt nochmal wütend.